18.10.2017
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> Geistiges Eigentum

Einheitliches europäisches Patent – so nah, aber doch so fern?

Patentschutz ist sehr wichtig für die technologische Entwicklung, da er trotz sonstiger Regeln über freien Wettbewerb für einige Zeit Monopol auf der Erfindung auf dem Markt verleiht als Gegenleistung für ihre Offenlegung. Der Schutz der Patente und des geistigen Eigentums im Allgemein hat deswegen eine lange Geschichte.

Etwas kürzer, jedoch trotzdem lang, ist die Geschichte der Bemühungen, den Patentschutz auf dem EU-Markt zu vereinheitlichen. Obwohl in Europa das vom Europäischen Patentamt erteilte europäische Patent zur Verfügung steht, hat ein solches Patent keine einheitliche Wirkung in der ganzen EU, sondern handelt es sich um eine Reihe nationaler Patente, die nur das genannte Vergabeverfahren gemeinsam haben. Im Großen und Ganzen sind die Regulierungen der Patentschutz in Europa ähnlich, jedoch so unterschiedlich, dass in verschieden Staaten verschiedene Entscheidungen über den selben Fragen getroffen werden können. Auch wenn in verschiedenen Staaten die zuständigen Behörden die selbe Entscheidung treffen, muss der Inhaber des Patentes, das die selbe Erfindung schützt, den Schutz in jedem einzelnen Staat separat erlangen. Beides hat negative Effekte auf das Funktionieren des einheitlichen europäischen Marktes.

Die Bemühungen um die Einführung eines Systems, das im Territorium der Europäischen Union oder zumindest im wesentlichen Teil davon einheitlichen Patentschutz ermöglichen wurde – auf einer Seite aufgrund des Patents mit einheitlicher Wirkung und auf der anderen Seite mit der Errichtung des einheitlichen Patentgerichts – haben schon viel erreicht, so viel, dass Prognosen der Gut-informierten zufolge das System jetzt bereits funktionieren sollte. Aber trotzdem funktioniert es noch nicht und zurzeit ist kein Datum seiner angekündigten Umsetzung vorhanden. Es gibt mehrere Gründe dafür.

Eines der vielen Dokumente, die zur Einführung des Systems des einheitlichen Patents verabschieden wurden, ist das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht. Slowenien hat dieses Übereinkommen letztes September ratifiziert, aber um es wirksam zu machen, müssen es mindestens 13 Unterzeichnerstaaten, unter denen auch Deutschland, Frankreich und Vereinigtes Königreich, ratifizieren und die Ratifikation notifizieren. Frankreich hat das schon erfüllt, das Problem trat aber bei den anderen zwei Hauptakteuren auf – Deutschland und Vereinigtem Königreich.

In Deutschland wird das Übereinkommen gerade vom deutschen Verfassungsgericht überprüft, auf Initiative einer Einzelperson, die betont, dass das Übereinkommen im Widerspruch zu der deutschen Verfassung steht. Das deutsche Verfassungsgericht hat den deutschen Bundespräsidenten bereits aufgefordert, die Handlungen auszusetzen, die zur Fertigstellung der Ratifikation notwendig sind, die sonst vom deutschen Bundestag bereits bestätigt wurde. Die ersten Reaktionen der Kenner schreiben der Initiative zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Übereinkommens keine wesentlichen Erfolgschancen zu, trotzdem könnte aber der Fall mindestens zeitlich die Einführung des Systems des einheitlichen Patents zusätzlich verzögern. Ein viel größeres und komplexeres Problem stellt jedoch die Teilnahme des Vereinigten Königreichs in diesem System dar. Nach der Abstimmung über Brexit wurde das ganze System des einheitlichen Patents wieder unter Unsicherheit gestellt und es gab Spekulationen über das Scheitern des Systems, in dem eine wichtige Rolle des Vereinigten Königreichs verankert ist. Danach wurden aber die Karten dieses Jahr wieder neu gemischt, da das Vereinigte Königreich trotz der formellen Eröffnung des Brexit-Verfahrens die Absicht erklärt, abgesehen von Brexit in dem System des einheitlichen Patents teilzunehmen. Zu diesem Zweck hat das Vereinigte Königreich sogar bestimmte Maßnahmen getroffen (das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht wurde zwar noch nicht ratifiziert).

Solange das Vereinigte Königreich ein EU-Mitgliedsstaat bleibt, soll die Sache theoretisch kein Problem darstellen (was aber nicht in praktischen Hinsicht der Fall ist, da Brexit eine Tatsache ist, die sich unaufhaltsam nähert und in vielen Bereichen zu Unsicherheit führt). Unsicher sind aber auch seine weiteren Beteiligungsmöglichkeiten nach seinem Austritt. Mit dem richtigen politischen Willen (der in Hinsicht auf bisherige Verhandlungen über Brexit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU sehr unklar ist) sowohl seitens des Vereinigten Königreichs als auch seitens der EU-Mitgliedstaaten wäre das erreichbar, allerdings in keinem Fall ohne Eingriffe in das gegenwärtig festgelegte System.

Nach dem gegenwärtig vorgesehenen System sollte das Gericht, das in der ersten Instanz über Verletzungen und Nichtigkeit der Patente entscheiden würde, sein Sitz in Paris, London und München haben. In Zusammenhang mit der Brexit-Problematik stellen sich Fragen, ob der Sitz des Gerichts aus London, wo über Patente, u.a. aus dem Bereich der Chemie und Pharmazie, entschieden werden sollte, in das Territorium eines (anderen) EU-Staats zu versetzen ist. Obwohl das Gericht seinen Sitz in den drei genannten Städten haben wird, werden die Abteilungen des Gerichts auch andernorts ansässig.

Die im System teilnehmenden Staaten, darunter auch Slowenien, können beschließen, Lokalkammer des Gerichts in ihrem Staat zu errichten. Nach dem letzten veröffentlichen Bericht der dienststellenübergreifenden Arbeitsgruppe für das einheitliche Patentsystem für die slowenische Regierung vom März dieses Jahr ist Slowenien gegenwärtig dafür, eine solche Lokalkammer zu errichten. Die dienststellenübergreifende Arbeitsgruppe sieht Vorteile in der Errichtung einer Lokalkammer für die slowenische Wirtschaft und für slowenische Kunden (wie z.B. Zugänglichkeit, niedrigere Kosten für die Kunden, Verwendung slowenischer Sprache im Verfahren, slowenischer Richter im Spruchkörper, spezialisiertes Gericht in der Republik Slowenien, Vertiefung und Erhaltung des Wissens auf dem Gebiet des Patentwesens). Bereits nach dem Wortlaut des Abkommens soll das Zentrum für Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit für Patente seinen Sitz in Ljubljana (und Lisabon) haben.

In Zusammenhang mit der Errichtung des Systems des einheitlichen Patents bestehen also noch viele Unklarheiten – ob das System überhaupt im Betrieb aufgenommen wird und wann, welche Staaten darin teilnehmen werden und Ähnliches. Hoffnung bleibt dennoch, und selbst wenn die Räumlichkeiten in London, die schon bereit sind, die Kammer des einheitlichen Patentgerichts zu unterbringen, leer bleiben sollen, und das Vereinigte Königreich außerhalb der EU und des einheitlichen Patents enden sollte, werden die anderen EU-Staaten solche Änderungen des Übereinkommens in Erwägung ziehen müssen, die so gut wie möglich das vorgesehene System erhalten würden.