29.5.2018
TMT
> Technologie, Medien und elektronische Kommunikationen

Steht uns eine technologische Auffrischung der Vertragsverhältnisse bevor?

Unter dem Begriff Smart Contracts (dt. intelligente Verträge) können wir uns die digitale Regulierung der Verhältnisse zwischen den Parteien und die automatische Ausübung der aus den erwähnten Verhältnissen hervorgehenden Rechte und Pflichten vorstellen. Smart Contracts scheinen eine große Zukunft vor sich zu haben, da durch die Anwendung von Smart Contracts zahlreiche Verhältnisse zwischen verschiedenen Subjekten vorangetrieben und automatisiert werden können, was Transaktionen verbilligen und Vertrauen auf den Markt bringen wird. Trotzdem werden aber zum Einsatz der Smart Contracts in großem Maßstab noch einige geschäftliche, technische und rechtliche Fragen beantwortet werden müssen.

Der Begriff Smart Contract wurde zum ersten Mal vom Kryptografen Nick Szabo in seinen zwei Artikeln aus 1994 und 1997 erwähnt, wo er es als Computerprotokoll für Transaktionen, das Vertragsbestimmungen durchsetzt, definiert hat. Der Vorrang des Smart Contracts liegt angeblich darin, dass die Verletzung teurer als seine Durchsetzung ist. Als ein Beispiel des Smart Contracts hat Nick Szabo das Verkaufsautomat erwähnt, das anhand der Hardware und Software einen Kaufvertrag durchsetzt. Bevor es die Blockchain-Technologie gab, wurden Smart Contracts nicht massiv verwendet, da sie ohne die Technologie, die auf eine einfache Weise Vertrauen gewährleisten würde, einen geringen Nutzwert hatten. Heutzutage, wo Smart Contracts mittels der Blockchain-Technologie, die das Vertrauen gewährleistet, durchgesetzt werden, haben jedoch die Smart Contracts einen wesentlich größeren Nutzwert bekommen. Also, ein Smart Contract ist kein Vertrag, wie das fälschlicherweise vom Begriff ausgeht, sondern stellt einen Computercode dar.

Smart Contracts werden nur schwer eine größere Bedeutung für die Abschlussphase des Rechtsgeschäfts gewinnen, da sie bei der Erfüllung aller Voraussetzungen, die für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts notwendig sind, erhebliche Schwierigkeiten erfahren. Die Schwierigkeiten können vor allem im Zusammenhang mit dem Ausdruck des Willens und mit der Konsensbildung auftreten. Ein Smart Contract stellt einen Computercode dar, deswegen müssen es die Vertragsparteien verstehen, wenn sie nur mit dessen Hilfe die Übereinstimmung des Willens erzielen möchten. Auf der anderen Seite werden aber Smart Contracts eine größere Rolle in der Erfüllungsphase des Rechtsgeschäfts spielen können, wo die Parteien die Durchsetzung der Rechte und Pflichten aus gegenseitigen Beziehungen anhand von Smart Contracts automatisieren werden können. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wird außerhalb des Smart Contracts gebildet. Ins Smart Contract werden dann nur diejenigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag übertragen, die in der Digitalwelt automatisch durchgesetzt werden können. Dabei werden nämlich die Parteien das Vertrauen in die richtige Durchsetzung aus der Technologie und nicht aus dem Willen der Gegenpartei ziehen. Die Tatsache, dass ein Smart Contract streng den Computercode befolgt und nicht nachträglich geändert werden kann, stellt aber auch eine Beschränkung dar. Es ist üblich, dass die vertragliche Rechte und Pflichten aus verschiedenen Gründen geändert werden. Ein Smart Contract kann diesen Änderungen nur dann Rechnung tragen, wenn diese Änderungen im Computercode vorgesehen wurden. Bei den klassischen Verträgen sorgt der Besitzstand mit verschiedenen Institutionen (z.B. geänderte Umstände, teilweises Ausbleiben der Erfüllung …) und Mechanismen (z.B. Erhebung der Klage, gerichtliche Betreibung, einstimmige Beendigung …) dafür, dass die Rechte und Pflichten aus dem Rechtsgeschäft in geeigneter Weise durchgesetzt werden. Ein Smart Contract befolgt aber nicht alle diesen Institutionen und Mechanismen, sondern befolgt nur den Computercode. Deswegen scheint es, dass am Anfang die Smart Contracts nur der Automatisierung von einfacheren Ausübungsverhalten in der Erfüllungsphase dienen werden. Mit einem parallel abgeschlossenen klassischen Vertrag werden aber die Vertragsparteien alle Rechte und Pflichten, die der Besitzstand schützt und die mit Smart Contract nicht geschützt werden können, bewahren. Angesichts der vorstehenden Ausführungen wird eine Kombination der Anwendung von Smart Contracts mit klassischen Verträgen in naher Zukunft auf jeden Fall empfohlen.

Es ist bekannt, dass Vertrauen den grundlegenden Baustein der Schuldverhältnisse darstellt. Der Sinn und Zweck des Vertragsabschlusses liegen gerade in dessen Erfüllung. In dem Besitzstand haben sich viele Rechtsinstitutionen entwickelt, die die Erfüllung schützen bzw. die Pflicht verstärken, wie z.B. verschiedene Arten der Sicherheit, Regeln über Vertragsstrafe und Anzahlung und andere. Das Vertrauen, dass die Gegenpartei den Vertrag erfüllen wird, ist von entscheidender Bedeutung in der Abschlussphase, da die Parteien den Vertrag nur dann abschließen, wenn sie Vertrauen in die tatsächliche Erfüllung der Gegenpartei haben. Viele sind der Meinung, dass die Blockchain-Technologie unabhängig von den Parteien gerade Vertrauen gewährleistet. Die Technologie gewährleistet Vertrauen auf verschiedene Weise, von Dezentralisierung, Datenverschlüsselung und Stabilität der Daten bis zur verlangten Zustimmung zum Inhalt der in individuellen Block eingetragenen Daten. Die Technologie ermöglicht also, dass das Vertrauen von den Parteien auf Computer und dezentralisierte Plattformen, die im Rahmen des Blockchain-Protokolls funktionieren, übertragen wird. Für klassische Verträge, bei denen das Ausübungsverhalten ins Smart Contract übertragen wird, könnte das bedeuten, dass das Vertrauen in die freiwillige Erfüllung des Vertrags durch die Gegenpartei nicht mehr erfordert wird, da das Vertrauen in Vertragserfüllung aus der Technologie und nicht aus der Sphäre der Gegenpartei hervorgehen wird.

Die Übertragung der Vertragsbestimmungen in einen Computercode steht aber vor vielen Herausforderungen. Die Programmiersprache mit ihren Komponenten ist wesentlich steifer und weniger zur Regulierung der Gesellschaftsverhältnisse angezeigt als die Literatursprache mit ihren sprachlichen Zeichen. Mit der Programmiersprache können die allgemeinen Klauseln, die abstrakte Bestimmungen darstellen, nicht definiert werden, da die Programmiersprache nur konkrete Schritte definieren kann. Außerdem berücksichtigt die Programmiersprache nicht die Absicht der Vertragsparteien im Falle unklarer oder streitiger Bestimmungen. All dies stellt praktische Beschränkungen dar, die bei der Anwendung von Smart Contracts berücksichtigt werden müssen.

Laut Schätzungen wird die massive Nutzung der Blockchain-Technologie und damit der Smart Contracts innerhalb von zwei bis vier Jahren beabsichtigt. Die ersten Beispiele der Nutzung von Blockchain-Technologie und Smart Contracts werden bereits in die Praxis umgesetzt. Es werden bereits auch Plattformen für vereinfachte und automatisierte Erstellung von Smart Contracts und auch für alternative Streitbeilegung im Zusammenhang mit Smart Contracts intensiv entwickelt. Für den Einsatz von Smart Contracts in einem größeren Maßstab und damit eine technologische Auffrischung der Vertragsverhältnisse werden aber noch einige Herausforderungen aus verschiedenen Bereichen gelöst werden müssen. Zweifellos steht uns aber in der Zukunft eine bestimmte technologische Auffrischung der Schuldverhältnisse bevor.